Die Geschichte um den Bau des Klosters Wettingen habe ich drei Mal gehört: In der Primar-, in der Bezirks- und der Kantonsschule. Letztere war schliesslich in eben diesen Gebäuden untergebracht. Ich mochte die Architektur. Über das Leben im Kloster, ob als Ordensschwester oder als Mönch, dachte ich als Teenager kaum nach. Mittlerweile bin ich doppelt so alt und lebe in der Nähe des Klosters Baldegg. Immer wieder bin ich seither Baldegger Schwestern begegnet. Und beim Nachdenken über ungewohnte Berufs- und Lebenswege für meine Monatskolumne, dachte ich immer wieder ans Kloster. Ich fragte nach und Schwester Nadja lädt mich während unseres Telefongesprächs zu einem Besuch ein.

Fährt man von Hitzkirch Richtung Luzern liegen rechts und links der gleichnamigen Haltestelle Gebäude, die zum Kloster Baldegg gehören. Mutterhaus und Pflegeheim Sonnhalde Baldegg im Hintergrund auf der linken Seite hatte ich bisher nicht wahrgenommen. Beides war von Architekt Marcel Breuer Ende der sechziger Jahre entworfen und von Beat Jordi gebaut worden. Die kubistisch anmutende Schlichtheit passt zur Haltung der franziskanischen Baldegger Schwestern, wie ich von Schwester Nadja erfahre. «Wir versuchen einfach zu leben, mit der  Hingabe an Gott, an die Mitmenschen und an die ganze Schöpfung.» Aber wie beginnt ein Leben im Kloster? «Vielleicht können wir die Frage, wie entstand unsere Gemeinschaft an den Anfang stellen?», schlägt Schwester Zita, Generaloberin, vor. «Nach 1800 war Mädchenbildung hier in der Umgebung kein Thema. Der Kaplan von Hochdorf, er hiess Josef Leonz Blum, plante eine Schule für zweckmässige Bildung auf kirchlicher Grundlage zu errichten. Sieben leibliche Schwestern der Familie Hartmann aus dem Bauerngut Hilty bei Hohenrain stellten sich für die Aufgabe zur Verfügung.» Bald seien weitere Frauen hinzugekommen, teilten Arbeit und Gebet mit diesen Schwestern und gaben ihre Kenntnisse an junge Menschen weiter. Um diese Schwesterngemeinschaft nach Aussen klar zu positionieren, bemühte man sich eine kirchlich anerkannte Genossenschaft zu werden. «Mit dem Entscheid zur Übernahme der franziskanischen Regel wurden die Baldegger Schwestern zur Klostergemeinschaft.» Schwester Nadja fügt hinzu: «An unserer Arbeit hat sich damit aber nichts geändert.»

Für eine Frau gebe es verschiedene Gründe in den Orden einzutreten, sind sich Schwester Zita und Schwester Nadja einig. «Da ist der Glaube und der Wunsch, auch den Alltag ganz danach auszurichten, das Getragensein in der Gemeinschaft und die Arbeit, der Einsatz zum Wohle der Menschen.» Eine Entscheidung für ein ganzes Leben, ohne Partnerschaft und ohne Kinder – mir persönlich scheint das sehr schwer. «Es ist ein Wagnis, wie dies auch bei der Heirat ist», gibt Schwester Zita zu Bedenken. Ausserdem betrage die Dauer bis zur endgültigen Aufnahme, inklusive Noviziat, acht Jahre. «Der Alltag kann also getestet werden.» Schwester Zita schmunzelt bei der Anmerkung. «Leicht ist es nicht – genauso wenig wie andere Lebensentwürfe.» Dass es trotz allem an Nachwuchs fehlt, sieht sie pragmatisch. «Die Welt ändert sich. Es kann sein, dass es uns Baldegger Schwestern irgendwann nicht mehr gibt. Doch viel schlimmer fände ich, wenn der Glaube verschwinden würde. Wenn niemand mehr Gott in seinem Leben hätte.»

Es ist Zeit für die Eucharistie, an welcher ich als Gast teilnehmen darf. Am späteren Taizé-Nachtgebet, bin ich ebenfalls dabei. Ich verabschiede mich in grosser Dankbarkeit von den Schwestern. Der Besuch im Kloster hinterlässt mich nachdenklich. Den Weg, für den man sich entschieden hat, so konsequent wie irgend möglich zu verfolgen, klingt ernst, fast düster. Für die Baldegger Schwestern scheint der Weg zu leuchten, sie strahlen eine beeindruckende Lebenslust aus. Und vielleicht würde dem einen oder anderen ein wenig Entschiedenheit den Alltag nicht erschweren, sondern verschönern. Diesen Gedanken will ich mir auf jeden Fall erhalten.