Hin- und Hergeschichten nannte sich ein Buch, das Franz Hohler und Jürg Schubiger gemeinsam verfasst haben. Der eine schickte dem anderen eine Geschichte und der Empfänger liess sich durch diese zu einem eigenen Werk inspirieren. Weil die beiden sich keine weiteren Vorgaben machten, sind herrlich verrückte Texte entstanden. Diesen inspirierenden Prozess wollen Regula Haus, eine befreundete Autorin, und ich ausprobieren. Wer dann übrigens Lust bekommt, mehr von Regula Haus zu lesen, besorgt sich einfach ihr Buch "Das schwarze Sofa" (nicht wundern, damals trug sie noch den Doppelnamen Haus-Horlacher) oder schauen sich http://www.literaturport.de/Regula.Horlacher/ an.

Lisa liess sich auf die Bank sinken. Sie liebte dieses Bild: Robert Zünds Eichenwald. Marc hatte es ihr gezeigt. Marc der ältere Kollege aus dem Schachklub. Er hatte ein eigenes Motorrad. Doch seine Mobilität war nicht das Bewundernswerteste an ihm. Sassen die Klubmitglieder nach den Schachrunden beim Kaffee zusammen, diskutierte Marc immer mit. Und egal ob es um Politik, Umweltschutz oder Musik ging, Marcs Äusserungen waren nie Mainstream. Seine Aussagen liessen Lisa die Welt von anderen Seiten betrachten. Beispielsweise führte sie nach einem Gespräch mit ihm zu Hause die Mülltrennung ein, auch wenn sie den wöchentlichen Gang zum Glascontainer nicht wirklich schätzte. Lisa wusste, dass Marc sich auch mit Kunst auskannte und so fasste sie sich eines Tages ein Herz und bat ihm, mit ihr eine Ausstellung zu besuchen. "Den willst Du Dir ansehen?" Marc runzelte die Stirn. "Ja, ich weiss, dass er sehr kontrovers diskutiert wird. Aber ich will mir nach Prüfung der Sachlage eine eigene Meinung bilden." "Ok das ist ein Argument." Eine Stunde beschäftigten sie sich mit den ausgestellten Werken von Josef Beuys. Dann sagte Marc: "Aber bevor wir nach Hause fahren, darf ich Dir auch ein Bild zeigen, das mir gefällt?" Lisa nickte: "Selbstverständlich." Und Marc führte sie in den grossen Saal an dessen Stirnseite der Eichenwald hing. Lisa gefiel das Bild sofort. Ihr war, als spürte sie die Sonnenstrahlen, die durch das Blattwerk fielen, im Gesicht. "Wie im Märchen", hatte sie ehrfürchtig geflüstert und Marc hatte genickt. "Schatz verläufst Du Dich gerade wieder einmal im Eichenwald?" Lisa sah hoch und blickte ihrem Mann in die Augen. "Unsere Prinzessin hat Hunger", sagte Marc und wies mit dem Zeigefinger zu dem Mädchen hoch, das auf seinen Schultern sass. Lisa griff nach der Hand ihres Marc und liess sich von ihm hochziehen. "Na dann auf zur Pizzeria."

Sie griff nach seiner Hand. „Spürst du das auch?“, fragte er. Sie nickte. „Ja.“ Es war nichts Aufsehenerregendes an dem Kunstwerk. Ein paar wie zufällig im Raum verteilte, aus Stein gehauene Quader, ziemlich gross, in Form und Farbe an vertrocknete Kernseifenstücke erinnernd oder an Brocken von uraltem Hartkäse. Doch es ging unbestreitbar etwas von ihnen aus, etwas Eigentümliches, nicht wirklich Fassbares, nicht Beschreibbares. Sie versuchte, sich für einen Moment ganz der Atmosphäre zu überlassen, ohne zu denken, denn eigentlich – ja – eigentlich kam es gar nicht von den Steinen, die Atmosphäre selbst fühlte sich an wie etwas Drittes, wie eine zusätzliche Dimension … „Seltsam“, sagte er. „Ja. Sehr seltsam. Weisst du, von wem es ist?“ Er sah im Guide nach. „Von Beuys. Es sind Sandsteinwannen, die früher zum Dekantieren von Olivenöl dienten. Beuys füllte sie mit Steinmonolithen und Olivenöl. Das Öl soll mit der Zeit den Stein zersetzen und so zum Sinnbild werden für die sich ständig erneuernde Natur“, erklärte er. „Es heisst Olivestone.“ „Hm -“ Sie schwiegen. „Pizza?“, fragte er nach einer Weile. Sie atmete tief durch. „Ja. Zeit für Pizza.“