Hallo
Schön, dass Sie da sind. Meine Worte und ich freuen uns, von Ihnen gelesen zu werden. Ich bin Journalistin, Kommunikationsbeobachterin auf allen Ebenen und Literaturliebhaberin. Sie finden hier Workshopangebote und Texte, die inspirieren wollen. Aber auch kleine Sprachjuwelen, die mir begegnet sind, teile ich mit Ihnen. Lesen Sie einfach weiter…
Herz und Hände voll
Kennen Sie das Lebensgefühl nach den Ferien? Man steht mit Glücksmomenten bepackt im Raum während die Forderungen des Alltags wie trotzige Kinder um einem herum stehen und motzend an einem ziehen. "Du musst jetzt waschen." "Der Kühlschrank ist leer." "Check endlich deine Geschäftsmails." Dabei sind Herz und Hände noch gar nicht frei. Am liebsten würde ich mich dann gleich zur nächsten Reise umdrechen. Stattdessen greife ich zum Telefon und rufe jemanden an, der sich über meine Rückkehr freut. Jemanden, der gar nichts von mir will. Das hilft.
Ein Tropfen verwandelt sich
Ich sah sie völlig entgeistert an. "80 Franken für einen Regenschirm?" Sie nickte mit entschuldigendem Blick. "Es ist halt ein Zwerg. Aber nehmen sie sich zwei Minuten Zeit, ich zeigen ihnen gerne, wo die anderen Schirme sind." "Okay, danke." Eigentlich hatte ich genau auf diesen Spaziergang durch den Laden keine Lust gehabt - aber es sollte wohl so sein. Wir bogen bei der Rolltreppe links ab. Da waren sie - Regenschirme in allen Farben und Grössen. Ich blieb bei den handlichen Exemplaren und entschied mich ohne nachzudenken für Pink. 10 Franken erschienen mir passend, ich bedankte mich bei der Verkäuferin für ihren Einsatz. Bis ich aus der Einkaufspassage kam, hatte sich der Sturm gelegt.
Der Schirm blieb trocken - bis heute. Morgens dachte ich noch "Brauchst du wirklich einen Schirm?". Ich wählte vorsichtige Bedachtsamkeit und gewann. Auf dem Heimweg regnete es und ich färbte den Himmel über mir pink - gute Laune garantiert. Aber das war noch nicht alles. Unter Dach angekommen, wollte ich den Schirm zu machen, als ich funkelnde kleine Diamanten auf dem Stoff entdeckte. Mister Spock hätte gesagt: "Faszinierend." Ich schwieg einen wunderbaren Moment lang
Ein Nachbar
Er könnte beim Bauamt der Gemeinde angestellt sein. Dagegen spricht, dass sie ihn noch nie in der knallorangen Arbeitskleidung gesehen hat. Dafür sieht sie ihn jeden Abend mit seiner gehstocklangen Greifzange und dem Abfallsack die Bahnhofstrasse hoch spazieren. Er scheint immer guter Dinge zu sein. Pfeifft fröhlich vor sich hin. Sie hat regelmässig überlegt, ihn anzusprechen. Eines Abends nimmt er ihr die Entscheidung ab. "Was für ein wunderbarer Tag! Ich hoffe, sie konnten heute Sonnenstrahlen geniessen." Sie ist perplex. Die Frage klingt so anders, als sie sich seine Stimme vorgestellt hat. "Emmm." Sie findet keine Worte. "Vielleicht morgens beim Warten auf den Bus?" Er weist auf die Hecke neben dem Grünstreifen. "Haben sie die Rosen gesehen?" Der südländische Akzent schimmert. "Ist das eigentlich ihr Job?" Sie zeigt auf die Greifzange, mit der er gerade ein paar Zigarettenstummel entsorgt. Er gluckst. "Nein, ich bin pensioniert. Ich mache Platz für Schönheit." Sie muss sehr fragend in die Welt geblickt haben. Er bleibt endgültig stehen, schaut Richtung Himmel, dann erklärt er: "Wir haben alles. Strassen, Trottoir, Licht, Busse, Autos, Blumen. Wir können arbeiten, haben Freunde, lieben Familie. So viel Glück will gepflegt werden. Zigaretten passen nicht zu Rosen, schlechte Laune passt nicht zur Sonne. Ich bin nett zum Glück, so bleibt es vielleicht mein Nachbar."