Hallo
Schön, dass Sie da sind. Meine Worte und ich freuen uns, von Ihnen gelesen zu werden. Ich bin Journalistin, Kommunikationsbeobachterin auf allen Ebenen und Literaturliebhaberin. Sie finden hier Workshopangebote und Texte, die inspirieren wollen. Aber auch kleine Sprachjuwelen, die mir begegnet sind, teile ich mit Ihnen. Lesen Sie einfach weiter…
Die Tür namens Buchdeckel
Kürzlich hat mich eine Freundin gefragt, ob ich Tolstois "Anna Karenina" gelesen hätte. Ich musste zugeben, dass ich es nicht mit Gewissheit sagen konnte. Stattdessen erinnerte ich mich an die Verfilmung mit Sophie Marceau aus dem Jahr 1997 und an die Freundin, die mir das Werk empfohlen hatte. Ich erinnerte mich an die Bücher aus meinem Maturjahr. Christa Wolfs "Medea", "Frauen, die Prosecco trinken" von Marlene Faro oder Max Frischs "Montauk" - die Liste liesse sich fortsetzen. Ich erinnere mich an die Geschichten, die sprachlichen Besonderheiten, die Orte, an denen ich sie gelesen habe. In jedem Buch wurde ich Teil des Geschriebenen. Doch die kunstfertigen Texte sind auch Teil meiner Geschichte. Die Tür namens Buchdeckel schwingt in beide Richtungen.
Kommunikation unter Frauen und Menschen
Markus Liebermann hörte nicht auf zu reden während er die Kreide über die Tafel quietschen liess. Lenas linkae Hand war zur Faust geballt. Mit der rechten schrieb sie des Mathelehrers Gleichungen ab. Er war so schnell, sie hatte keine Zeit seine Gedanken nachzuvollziehen. Sie hoffte nur, es würde bald vorbei sein. In einer Atempause Liebermanns wandte sie den Blick Richtung Ursina. Sie zuckte hilflos mit den Schultern. Zwei Pulte weiter sass Michela, die unter dem Tisch ihren Stressball knetete. Die drei Frauen hatten jede freie Minute gelernt und wollten endlich wissen, ob sich die Büffelei ausgezahlt hatte. Da - Liebermann warf Sandro, der ihm am nächsten sass, den Papierstapel hin. Dieser grinste ein wenig. Nicht nur, weil er sich sowieso keine Sorgen zu machen brauchte, sondern auch, weil er so die Noten aller zu sehen bekam. Als er Lena ihre Prüfung reichte, brummte er anerkennend: "Wow." Sie sah, was er meinte: 5,5. Sie schluckte. 5,5 - war das überhaupt möglich. Sie prüfte die Dachzeile, ja es war ihr Werk. Michela winkte inzwischen glücklich mit ihrer 4,5. Ursina war ernst geblieben. Sie hielt die rechte Hand hoch. Der Daumen war eingeklappt. Eine 4. Scheisse, dachte Lena. Und das bei dem Aufwand. Sie fürchtete den direkten Vergleich in der Pause. Er verlief jedoch völlig anders als erwartet. "Ich freue mich für dich", sagte Ursina und zeigte auf die 5,5. "Aber für mich finde ich es Scheisse." Damit war alles geregelt. Keine Sticheleien, keine Eifersucht, das Lernen ging weiter.
Welchen Zusammenhang hat dieser Text mit dem Weltfrauentag? Diese Frage kann ich nicht abschliessend beantworten. Ich habe einen Gefühlsmoment, den mir eine gute Freundin bescherte, in eine Geschichte verpackt. Sie hat mir in einem kritischen Moment gezeigt, dass Ehrlichkeit und Wertschätzung immer zusammengehören. Manchmal braucht es Mut, unbequeme Gefühle in Worte zu fassen. Aber wenn wir es tun, entwickeln sie eine eigene Kraft. So schicke ich ein Danke für jenes Erlebnis ins Universum und wünsche allen Frauen Mut zu eigenen Worten.