Als Teenager habe ich meine Samstagabende regelmässig in einer dunklen Rockerkneipe verbracht. Dicht an dicht, auf Stühlen oder Barhockern sammelten sich Freunde wie entfernte Bekannte und lauschten „Highway to hell“ „Enter Sandman“ oder „Giggerig“, das zu später Stunde lauthals mitgesungen wurde. Wenn mich meine Mutter am Sonntagmorgen nach den Anwesenden fragte, konnte ich ihr höchstens eine handvoll Namen liefern. „Fragst du denn nie, wie jemand heisst?“, wollte sie irgendwann wissen. „Der Name spielt doch gar keine Rolle“, antwortete ich. „Ich muss doch nur wissen, wie es dem Menschen geht.“ Meine Mutter teilte meine Überzeugung nicht. Heute verstehe ich ihre Skepsis. Viele Menschen fühlen sich erst richtig wahrgenommen, wenn man sich an ihre Namen erinnert. Doch ich habe meinen jugendlichen Geist nicht ganz entschwinden lassen. Es ist mir immer noch möglich, einer Person jeden Samstag neu zu begegnen. Unvoreingenommen zu sehen, wie es jemandem geht – ohne dass ich alle bisherigen Schandtaten an einen Namen knüpfe. Ich feiere diesen Monat meinen 36. Geburtstag, die Rockergöre von damals feiert mit. Versuchen Sie es, interviewen Sie doch auch einmal Ihr jugendliches ich…